Es war einer der genialsten Gefängnisausbrüche aller Zeiten – wenn er denn geklappt hat. 1962 verschwanden die Insassen Frank Morris sowie John und Clarence Anglin aus Alcatraz, dem Bundesgefängnis auf der Insel vor der Küste von San Francisco. Sie hatten mit geschärften Löffeln die Gefängnismauern durchbohrt, Pappmaché-Puppen in ihren Betten zurückgelassen und waren auf einem Floß aus 50 Regenmänteln davongeschwommen.

Was dann geschah, hat Historiker jahrzehntelang beschäftigt. Ihre Leichen wurden nie gefunden. So hält sich bis heute der Mythos der drei Kriminellen, die es von Alcatraz in die Freiheit schafften. Das FBI schloss seinen Fall 1979 ab und kam zu dem Schluss, dass die Flüchtigen ihren Weg durch eineinhalb Kilometer eiskaltes Wasser bis zum Festland wahrscheinlich nicht überlebt hätten. Doch für viele stellt sich die Frage: Wieso hätte das FBI so lange nach Totgeglaubten fahnden sollen?

 

Geschichte von Alcatraz

Ursprünglich als Marineverteidigungsfestung in den 1850er Jahren erbaut, beherbergte die Einrichtung auf der Insel Alcatraz in der Bucht von San Francisco von 1861 bis 1933 Militärgefangene. Danach übergab die US-Armee die Kontrolle an das Justizministerium. Das neue Bundesgefängnis auf der Insel Alcatraz wurde 1934 eröffnet und galt als das härteste Gefängnis, das Amerika hervorbringen konnte. Alcatraz, das erste Hochsicherheitsgefängnis mit minimalen Privilegien für die hartgesottensten und reuelosesten Kriminellen im US-Gefängnissystem, repräsentierte den Versuch der Regierung, eine harte Linie gegen die grassierende Kriminalität der 1920er und 1930er Jahre einzunehmen. Während der 29 Jahre, in der die Insel als Gefängnis diente (1934-63), beherbergte sie einige der berüchtigtsten Gangster des Landes, darunter Al Capone, George „Machine Gun“ Kelly, Alvin Karpis (der als erster als Staatsfeind Nr. 1 bezeichnet wurde) und „Birdman“ Robert Stroud.

 

Die Flüchtigen

Frank Morris kam im Januar 1960 als Häftling Nr. AZ-1441 auf Alcatraz Island an. Im Alter von 13 Jahren wegen seines ersten Verbrechens verurteilt, hatte Morris einen Großteil seines Lebens hinter Gittern verbracht. Seine Straftaten reichten von Besitz von Betäubungsmitteln bis hin zu bewaffneten Raubüberfällen. Mit einem IQ von mehr als 130 hatte Morris in seiner Vergangenheit bereits mehrfach versucht, aus dem Knast auszubrechen; Es war diese Angewohnheit, die ihn schließlich in „The Rock“ brachte, wie Alcatraz lange vor seiner Zeit als Bundesgefängnis genannt wurde.

Die Komplizen von Morris, John und Clarence Anglin, die wegen eines Banküberfalls in Alcatraz saßen, waren ebenfalls Veteranen des Gefängnissystems. Zusammen mit ihrem dritten Bruder, Alfred, verurteilt, saßen sie in einem Bundesgefängnis in Atlanta eine andere Strafe ab, als sie Morris zum ersten Mal trafen. Nach eigenen Fluchtversuchen wurden John und Clarence Mitte 1961 nach Alcatraz verlegt. Ein vierter Mann, Allen West, war ebenfalls an dem Fluchtplan beteiligt. In der Nacht der Flucht zurückgelassen, erzählte West den Behörden später viel von dem, was über den komplizierten Plan bekannt ist, und behauptete sogar, selbst der Drahtzieher gewesen zu sein.

 

Die Flucht

Als sie im Juni 1962 ihren Fluchtversuch unternahmen, hatten Morris und die Anglins drei Monate damit verbracht, mit gespitzten Löffeln, die sie aus der Gefängniscafeteria entwendet hatten, sich durch die Lüftungsgitter ihrer Zellen zu graben. Außerdem stellten sie lebensgroße Kopf-Attrappen aus Papier, Seife und menschlichem Haar – entwendet aus dem Friseursalon des Gefängnisses – her und nähten ein behelfsmäßiges Floß und Schwimmwesten aus mehr als 50 Regenmänteln, die von ihren Mitgefangenen gespendet oder gestohlen wurden.

In der Nacht des 11. Juni entschied Morris, dass es an der Zeit war, zu fliehen. Als West nicht in der Lage war, durch das Lüftungsgitter an der Rückseite seiner Zelle zu kommen, mussten ihn Morris und die Anglins zurücklassen. Sie kletterten über das Sanitärsystem des Gefängnisses auf das Dach des Zellenhauses. Daraufhin überquerten sie das Dach und schafften es entlang von Rohrleitungen hinunter, bis sie in der Nähe des Ausgangs zum Duschbereich den Boden erreichten. Danach hat offiziell niemand mehr Morris oder die Anglin-Brüder gesehen.

Laut West – dem es schließlich gelang, aus seiner Zelle zu entkommen und es auf das Dach zu schaffen, nur um festzustellen, dass seine Mitinsassen verschwunden waren – war geplant gewesen, das provisorische Floß zu benutzen, um Angel Island zu erreichen. Nach einer Pause wollten die Männer von der gegenüberliegenden Seite der Insel durch die sogenannten Raccoon Straits nach Marin County ans Festland schwimmen. Danach sah der Plan das Entwenden eines Autos und den Einbruch in ein Bekleidungsgeschäfts vor, ehe sich ihre Wege für immer trennen würden. Doch in den 12 Tagen nach der Flucht wurden nirgendwo in Marin County solche Verbrechen gemeldet – eine Tatsache, auf die die Behörden als Beleg für ihre Schlussfolgerung verweisen, dass der Versuch gescheitert war. Ein norwegischer Frachter berichtete auch, dass er am 17. Juli einige Kilometer nordwestlich der Golden Gate Bridge eine Leiche gesehen haben will.

 

Alcatraz heute

Obwohl das FBI immer noch aktive Haftbefehle gegen alle drei Männer aufrechterhält, werden sie offiziell als vermisst und vermutlich ertrunken aufgeführt. Aber die Leichen der Insassen wurden nie gefunden, und einige Leute glauben weiterhin, dass Morris und die Anglins überlebt haben könnten.

Am 21. März 1963, weniger als ein Jahr nach dem Fluchtversuch, wurde das Bundesgefängnis Alcatraz geschlossen. Es war das teuerste aller US-Staats- oder Bundesgefängnisse, hauptsächlich aufgrund der Kosten für den Transport von Frischwasser auf die Insel und den Abtransport von Abfällen. „The Rock“ wird aktuell vom National Park Service betrieben und ist eine der beliebtesten Touristenattraktionen von San Francisco.