Interview mit Giles Milton

Der Doku-Zweiteiler wird vom britischen Historiker und Bestsellerautor Giles Milton präsentiert. Gedreht wurde in Deutschland und England. Von Giles Milton erschienen im deutschsprachigen Raum zuletzt die Bücher „Das Inferno von Smyrna“ und „Vom Mann, der mit zwei Flaschen Whiskey den Untergang der Titanic überlebte“.

Zu den Drehorten, an denen Giles Milton für die neue Dokumentation filmte, zählen Schloss Cecilienhof in Potsdam, wo Winston Churchill, Harry Truman und Joseph Stalin am 25. Juli 1945 zur Potsdamer Konferenz zusammenkamen, um Pläne zu der Zukunft Europas und der Welt zu schmieden, sowie die Elbbrücke im sächsischen Torgau, wo am 25. April 1945 US-amerikanische und sowjetische Soldaten Geschichte schrieben, indem sie sich auf den Trümmern der Brücke die Hände reichten.

 

Herr Milton, was hat Sie dazu inspiriert, an dieser Dokumentation mitzuarbeiten? 

Die Nachkriegswelt – von 1945 bis in die jüngste Vergangenheit – wurde maßgeblich durch die Ereignisse am Ende des Zweiten Weltkriegs geprägt. Ich wollte zeigen, wie sich die letzten Kriegswochen nicht nur auf dem Schlachtfeld entwickelten, sondern auch, wie die diplomatischen Verhandlungen – insbesondere zwischen den „Großen Drei“ Roosevelt, Churchill und Stalin – letztlich den Frieden bestimmten. 

Ein besonderer Antrieb war mein aktuelles Buch „The Stalin Affair“, das sich ausführlich mit dem Kriegsende und dem fragilen Frieden befasst, der darauf folgte. Es beleuchtet die diplomatischen Prozesse hinter den Kulissen und dieeinflussreichen Akteure, die versuchten, das ohnehin brüchige Bündnis zwischen Ost und West zusammenzuhalten. 

Mein vorheriges Buch „Checkmate in Berlin“ behandelt die unmittelbare Nachkriegszeit – Berlin von 1945 bis 1949 – und die schrittweise Verschlechterung der Beziehungen zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion.
 

Was unterscheidet Ihre Dokumentation von anderen Produktionen zum gleichen Thema?

Viele Dokumentationen setzen sich mit dem Kriegsende in Europa auseinander. Unser Ansatz ist umfassender: Wir beleuchten auch das Kriegsende im Fernen Osten, eine Phase, die den Vereinigten Staaten enorme menschliche Verluste abverlangte. 

Ich hoffe, die Zuschauer erkennen, dass der Krieg nicht mit dem Sieg im Westen endete. Im Fernen Osten standen noch zahlreiche blutige Schlachten bevor – mit tragischen Verlusten auf allen Seiten.
 

Wo fanden die Dreharbeiten statt?

In Deutschland haben wir hauptsächlich in Potsdam und Torgau gedreht. Besonders eindrucksvoll waren die Dreharbeiten im Schloss Cecilienhof in Potsdam – jenem Ort, an dem Churchill, Truman (nach Roosevelts Tod neuer US-Präsident) und Stalin ihre Pläne für die Nachkriegsordnung schmiedeten. Der große Konferenzsaal ist bis heute erhalten wie im Juli 1945 – selbst die Stühle stehen exakt so wie damals. Nur der Geruch des Rauchs von Churchills Zigarren fehlte!

Es war ein Privileg, dort zu drehen, da das Schloss derzeit wegen umfassenderRenovierungsarbeiten für die Öffentlichkeit geschlossen ist.
 

Gab es weitere wichtige Momente oder Begegnungen?

Es war wunderbar, in Torgau zu filmen, der kleinen Stadt, in der dieamerikanischen Streitkräfte auf ihre sowjetischen Verbündeten trafen. Für einen kurzen Moment herrschten Freundschaft und Zuversicht. Man hatte das Gefühl, dass die alliierten Beziehungen zwischen West und Ost auch über den Krieg hinaus Bestand haben könnten. Doch bald schlichen sich Misstrauen und Spannungen ein – vielen Beobachtern war schnell klar, dass das Kriegsbündnis zum Scheitern verurteilt war.
 

Warum ist das Thema Ihrer Dokumentation heute von aktueller Bedeutung?

Die damalige Nachkriegsordnung ist von großer Bedeutung, da sie die moderne Welt maßgeblich geprägt hat. Das Verhalten der Sowjets nach dem Krieg ist zudem sehr aufschlussreich. So stellt Putins Angriff auf die Ukraine keinen radikalen Bruch mit der traditionellen russischen Außenpolitik dar. Bereits Stalin strebte danach, am Ende des Krieges möglichst viele Gebiete unter sowjetische Kontrolle zu bringen. Bei der Konferenz von Jalta im Februar 1945 war die Rote Armee bereits in weiten Teilen Europas präsent. Stalin war in einer äußerst starken Verhandlungsposition.
 

Welche Experten haben Sie bei der Arbeit an der Dokumentation unterstützt?

Wir hatten das Glück, mit zwei renommierten Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten: Donald Rayfield, ein ausgewiesener Russlandkenner, und Nicholas O’Shaughnessy, ein Experte für Propaganda. Darüber hinaus konnten wir auch Menschen interviewen, die das Kriegsende selbst miterlebt haben. Die persönlichen Berichte dieser Zeitzeugen sind bewegend und von großer Bedeutung.
 

Was hat Sie bei der Arbeit an der Dokumentation am meisten beeindruckt? 

Besonders eindrucksvoll war es, an den originalen Schauplätzen zu stehen, an denen Geschichte geschrieben wurde. Wir haben an den Überresten derberühmten Elbbrücke in Torgau gedreht, dort, wo sich amerikanische und sowjetische Soldaten begegneten – und im Konferenzsaal in Potsdam, in dem Churchill, Truman und Stalin ihre Gespräche führten. Dort informierte Truman Stalin über die Entwicklung der amerikanischen Atombombe. Dass Stalin kaum überrascht war, irritierte Truman. Dabei wusste Stalin dank seiner Spione im Manhattan-Projekt längst über das Atomprogramm Bescheid.
 

Wie hat die Arbeit an der Dokumentation Ihre Sicht auf Gegenwart und Zukunft verändert? 

Meine zentrale Erkenntnis ist, dass die Ära der Nachkriegsordnung allmählich zu Ende geht. Donald Trump stellt 80 Jahre relativer Stabilität infrage – womöglich zieht er die USA noch aus der NATO oder gar aus den Vereinten Nationen zurück. Roosevelt würde sich im Grab umdrehen!
 

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