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An diesem Tag im Jahr 2011 veröffentlichte die Londoner Zeitung „The Guardian“ einen Artikel, dessen Inhalt direkt von WikiLeaks kam. Darin wurde behauptet, dass die saudi-arabischen Erdöl-Reserven weitaus niedriger seien, als in der Öffentlichkeit behauptet wird. Wenn die Berichte fundiert sind, könnte das große Auswirkungen auf die globalen Ölpreise haben. Außerdem würde es ernsthafte Fragen zur Integrität der saudi-arabischen Ölindustrie aufwerfen.

John Vidals Artikel, der eigentlich schon am späten Abend des 8. Februar auf der Internetseite des „The Guardian“ erschien, hieß: „WikiLeaks Depeschen: Saudi Arabien kann nicht genug Öl fördern, um die Preise unter Kontrolle zu halten“. Der Artikel enthüllte, dass saudische und amerikanische Diplomaten heimlich über die Möglichkeit diskutiert hatten, dass die Ölreserven des Königreichs im Nahen Osten mehr als 40 Prozent niedriger sein könnten, als behauptet.

Die Behauptungen über reduzierte Ölreserven waren hauptsächlich auf angebliche Berichte von Sadad al-Husseini zurückzuführen. Er war der ehemalige Chef der Ölförderung bei dem staatlichen Ölkonzern Aramco. Laut den aufgedeckten Depeschen der US-Botschaft, die WikiLeaks zwischen 2007 und 2009 erhalten hatte, hatte al-Husseini bei einem privaten Treffen mit amerikanischen Diplomaten angedeutet, dass die Menge der Ölreserven weit entfernt ist von der öffentlich angegebenen Menge. Er soll auch angedeutet haben, dass eine Erhöhung der täglichen Produktivität schwer zu erreichen wäre. Die Andeutung lautete, dass es Aramco nicht möglich sein würde, die aufsteigenden Preise für Erdöl auf dem internationalen Markt zu stoppen und dass eine schnelle Preisinflation unvermeidbar sei.

Der Bericht behauptete auch, dass  sich die globale Ölindustrie einer als „Peak Oil“ („Ölfördermaximum“) bezeichneten Situation nähern könnte. Dieser Begriff wird benutzt, um den Punkt zu beschreiben, an dem die globale Ölproduktion ihr oberstes Limit erreicht. Sollte die Nachfrage nach Öl also ansteigen, könnte die gesamte globale Ölindustrie nicht fähig sein, diese Nachfrage zu erfüllen. Ohne eine ausreichende Menge an Öl, um die Nachfrage zu erfüllen, würde der Preis letztendlich ansteigen. Sollten die saudischen Ölreserven also niedriger sein als angegeben, ständen die mit einem „Peak Oil“ verbundenen Probleme näher bevor.

Nachdem die US-Diplomaten al-Husseinis Prognosen gehört hatten, zeigte sich ihre Stimmung in einem nachfolgenden Memo mehrere Monate, nachdem die ursprüngliche Aussage gemacht worden war: „Unsere Aufgabe ist es zu hinterfragen, wie stark die Saudis jetzt auf lange Sicht wesentlich den Erdölmarkt beeinflussen können. Natürlich können sie die Preise in die Höhe treiben, aber wir fragen uns, ob sie noch die Macht haben, Preise für eine längere Zeit zu drücken.“

Die aufgedeckten Dokumente hätten katastrophale Auswirkungen auf die globale Ölindustrie haben können. Letztendlich wurde der Effekt aber abgemildert durch al-Husseinis Antwort darauf. Vielleicht unter Druck seiner Vorgesetzten bei der saudischen Ölindustrie gab al-Husseini eine Erklärung ab. Darin bestritt er, die saudi-arabische Ölproduktionskapazität heruntergespielt zu haben und legte dar, dass er von seinen amerikanischen Kontakten vorsätzlich falsch zitiert worden sei und zudem die Tatsachen verdreht worden seien.

Obwohl die Memos, die WikiLeaks erhalten hatte und die der „The Guardian“ daraufhin veröffentlicht hatte, für Aramco unangenehm waren, sieht es vorerst danach aus, dass eine Krise verhindert werden konnte.

Bildquelle: © Art Directors & TRIP / Alamy