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Auf dem Höhepunkt der Unruhen in Nordirland in den 1970er und 1980er Jahren inhaftierte die britische Regierung hunderte Mitglieder der paramilitärischen Organisation „Provisional Irish Republican Army“ (IRA) im berüchtigten Maze-Gefängnis. Das Labyrinth, das als Europas sicherstes Gefängnis angepriesen wurde, galt als ausbruchsicher – bis 38 IRA-Gefangene im September 1983 den größten Gefängnisausbruch in der britischen Geschichte begingen.

Das Hochsicherheitsgefängnis, das auf einer ehemaligen Royal Air Force Base etwa 16 Kilometer außerhalb der nordirischen Hauptstadt Belfast erbaut wurde, umfasste acht Gefängnisblöcke jeweils in Form des Buchstabens „H“. Diese H-Blöcke wurden zu Schlachtfeldern für IRA-Gefangene, die einen gewalttätigen Feldzug gegen die britische Herrschaft in Nordirland geführt hatten, um diese zu beenden. Nachdem die britische Regierung 1976 verurteilten IRA-Anhängern ihren Sonderstatus als politische Gefangene entzogen hatte, trugen IRA-Insassen Decken anstelle von Gefängnisuniformen und weigerten sich, zu duschen oder ihre Nachttöpfe zu leeren. Der Protest gipfelte 1981 in einem Hungerstreik, bei dem 10 republikanische Gefangene – darunter der Anführer der IRA im Maze-Gefängnis, Bobby Sands – starben.

IRA-Häftlinge, deren Verbrechen von Mord bis zum Besitz von Sprengstoff reichten, betrachteten das Labyrinth als Kriegsgefangenenlager. In dem Glauben, es sei ihre Pflicht, einen Fluchtversuch zu unternehmen, verbrachten IRA-Führer, die im H-Block 7 inhaftiert waren, im Sommer 1983 vier Monate damit, einen gewagten Gefängnisausbruch zu planen.

 

IRA-Insassen freundeten sich mit den Wachen an

Die Gefangenen führten zunächst eine Charmeoffensive durch, um eine Kameradschaft mit den Gefängnisbeamten aufzubauen, sie beim Vornamen kennenzulernen und Informationen zu sammeln. Hochrangige IRA-Führer, die als Hausmeister arbeiteten, nutzten diese Kameradschaft, um Zugang zu weiteren Bereichen des Gefängnisses zu erhalten. So wurden manche sogar zu Reinigungsarbeiten innerhalb des „Kreises“, dem Nervenzentrum in der Mitte des H-Blocks, eingeteilt.

Da die IRA-Insassen wussten, dass die Beamten lediglich Schlagstöcke zur Verteidigung trugen, schmuggelten sie sechs Handfeuerwaffen mit Schalldämpfern und Messern in das Gefängnis. Noch heute ist nicht bekannt, wie sie das geschafft hatten. Nachdem sie mit vorgehaltener Waffe die Kontrolle über den H-Block übernommen hatten, planten die Gefangenen, einen LKW, der Lebensmittel lieferte, zu entführen, da sie wussten, dass dieser weder bei der Ein- noch bei der Ausfahrt aus dem Gelände durchsucht wurde. Nachdem sie beschlossen hatten, den Ausbruch an einem Sonntag zu starten – dem ruhigsten Tag der Woche mit den wenigsten Wärtern im Dienst –, legten die IRA-Führer den 25. September 1983 als Tag für ihre große Flucht fest.

 

Die IRA-Gefangenen übernehmen die Kontrolle über H-Block 7 mit eingeschmuggelten Waffen

An diesem Nachmittag betraten fünf IRA-Gefangene den „Kreis“ von H-Block 7, um ihren Reinigungsaufgaben nachzugehen. Alles schien wie immer zu sein bis kurz nach 14:30 Uhr, als Brendan McFarlane – der dem verstorbenen Sands als führender IRA-Offizier im Labyrinth nachgefolgt war – „Bumper!“ rief. Auf das Codewort hin zogen die Insassen ihre Waffen und überwältigten die unbewaffneten Gefängniswärter.

Da die Beamten aufgrund eines Konstruktionsfehlers des Gefängnisses regelmäßig die kugelsichere Tür zum Kontrollraum zu Belüftungszwecken offen hielten, konnte ein Insasse, der von den Wachen als Gerry Kelly identifiziert wurde, seine Waffe durch ein Gittertor auf den Beamten John Adams richten. Kelly befahl Adams, sich von den Radio-, Alarm- und Telefonsystemen des Raums zu entfernen und sich mit den Händen hinter dem Kopf auf den Boden zu legen. "Ich habe nichts zu verlieren; Sie wissen, worauf ich mich einlasse“, sagte Kelly, der im Zusammenhang mit einem tödlichen Bombenanschlag der IRA in London zwei lebenslange Haftstrafen verbüßte.

Als ein Wärter unerwartet aus einer nahegelegenen Toilette kam und die Gefangenen ablenkte, versuchte Adams, Alarm zu schlagen. Laut Adams feuerte Kelly dann zwei Schüsse ab, von denen ihn der zweite über seinem linken Auge traf, sich aber als nicht tödlich erwies. Kelly hat nie zugegeben, den Abzug gedrückt zu haben.

Als die fünf Insassen den „Kreis“ gesichert hatten, betraten Wärter, die von einem Wachturm aus direkte Sicht auf die Geschehnisse hatten, die vier Flügel des Blocks. Doch die Insassen griffen die Wachen mit Waffen an, darunter eine Pistole, ein Messer, ein Schraubenzieher und ein Hammer. Innerhalb weniger Minuten übernahm die IRA von den 24 diensthabenden Beamten die vollständige Kontrolle über H-Block 7.

Nachdem die Gefängnisbeamten in zwei Zimmer eingesperrt worden waren, befahlen die Insassen einem Dutzend von ihnen, ihre Uniformen auszuziehen, die sie dann anzogen. Die IRA-Mitglieder fesselten daraufhin die Wachen, legten Kissenbezüge über ihre Köpfe und warnten: „Dies ist eine IRA-Operation. Wir sind nicht hier, um uns zu rächen oder Sie wegen des Hungerstreiks zu bestrafen, aber wenn Sie der Flucht im Weg stehen, rechnen wir schnell mit Ihnen ab.“

 

 

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Der Gefängnisausbruch wird tödlich

Die Gefangenen übernahmen wie geplant die Kontrolle über den Essenslieferwagen, als er um 15:25 Uhr ankam. Ihre Flucht verzögerte sich jedoch, da IRA-Geheimdienstoffiziere wertvolle Minuten damit verbrachten, Gefängnisakten auf der Suche nach Details über Informanten zu durchsuchen und gleichzeitig alle Fotos und Dokumente zu entfernen, die sie mit Verbrechen in Verbindung brachten. Um 15:50 Uhr versteckten sich 37 Gefangene auf der Ladefläche des Trucks, während sich Kelly im Fußraum der Beifahrerseite befand und eine Waffe auf den Beamten richtete, der den Lieferwagen lenkte. Das Haupttor stellte ihre letzte Hürde in die Freiheit dar.

Am Tor stürmten neun der als Wachen verkleideten Gefangenen das Gebäude, in dem sich Beamte zum Dienst an- und abmeldeten. Die Verzögerung beim Verlassen des H-Blocks führte jedoch dazu, dass die Wachen für die nächste Schicht bereits eintrafen. Immer mehr Wachen kamen hinzu bis sie Überhand über die Gefangenen erlangten.

Inmitten des Handgemenges stürmte der Gefängnisbeamte James Ferris aus dem Gebäude und rief der Wache am Fußgängertor zu, er solle Alarm schlagen. Ein Gefangener, der von den Wachen als Dermot Finucane identifiziert wurde, verfolgte Ferris und stach dreimal in dessen Brust. Der Beamte brach zusammen und starb später an einem Herzinfarkt. Der Gefangene ging weiter zum Fußgängertor, wo er auf zwei Beamte, die zu ihrer Schicht kamen, sowie den Beamten am Tor traf. Bevor dieser Alarm schlagen konnte, hatte er alle erstochen.

Einige Wachen holten ihre Autos, um den Weg durch das Tor für den Truck zu blockieren. Doch die Gefangenen öffneten die Ladeklappe des LKWs und flüchteten zu Fuß.

 

Die Hälfte der Ausbrecher floh nach Irland

Während einige Flüchtigen Autos stahlen, flohen andere zu Fuß. Eine Großfahndung durch Polizei und Militär führte in den ersten 24 Stunden nach dem Gefängnisausbruch zur Festnahme von 19 Gefangenen. Die meisten Flüchtigen kehrten nach ihrem kurzen Aufenthalt in Freiheit in ihre ursprünglichen Zellen im H-Block 7 zurück.

Diejenigen, die auf der Flucht blieben, versteckten sich in Scheunen und sicheren Häusern, bevor ihnen die IRA die Überfahrt in die Republik Irland erleichterte. Einige reisten unter neuen Identitäten in die Vereinigten Staaten weiter, während andere ihre paramilitärischen Aktivitäten wieder aufnahmen. Drei der Ausbrecher starben später bei IRA-Operationen, während Kelly und McFarlane 1986 in Holland festgenommen und zusammen mit anderen Flüchtigen, die aus Irland und den Vereinigten Staaten ausgeliefert wurden, in das Labyrinth zurückkehrten.

Der Maze-Gefängnisausbruch stärkte die Moral der IRA, hinterließ bei den Gefängnisbeamten jedoch dauerhafte körperliche und geistige Narben. Zusätzlich zum Tod von Ferris, der Erschießung von Adams und den nicht tödlichen Messerstichen auf drei weitere Wachen wurden 13 Beamte verletzt und 42 litten anschließend unter Nervenstörungen. Nach der vorzeitigen Freilassung von Hunderten von Insassen im Rahmen des Karfreitagsabkommens von 1998 wurde das Maze-Gefängnis im Jahr 2000 geschlossen. Die H-Blöcke wurden 2006 abgerissen.

 

Foto (c) Patrick McAleer / CC BY-SA 2.5

 

 

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