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Die meisten Menschen, die Schach spielen können, wissen, was für ein komplexes und anspruchsvolles Spiel es sein kann.

Wie schwierig muss es erst sein, Schach mit verbundenen Augen zu spielen. Man muss eine Strategie planen und einen geschickten Gegenspieler besiegen ohne das Brett zu sehen. Unter diesen Umständen hat der Spieler keinen Zugriff auf seine Figuren und kann sie nur im Geiste vor sich sehen.

Dies war die Herausforderung, die sich der große französische Schachspieler Francois-André Philidor stellte. Am 9. Mai 1793 führte Philidor ein Freundschaftsspiel durch und trat gegen drei verschiedene Gegner an drei unterschiedlichen Schachbrettern an.

Um seine herausragenden Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, spielte Philidor die Partien mit verbundenen Augen. Jeder seiner Kontrahenten hatte den Vorteil der weißen Figuren und an einem Brett spielte Philidor sogar mit einem Bauern weniger.

Aber trotz dieser Einschränkungen und zur Verwunderung der anwesenden Zuschauer im St. James Street Schach Club in London, gewann Philidor in zwei Spielen und im anderen gelang ihm ein Unentschieden.

Philidor wurde 1726 in Dreux in Nordfrankreich geboren. Er kam aus einer Familie angesehener Musiker. Er selbst zeigte früh ein außergewöhnliches musikalisches Talent. Schon als kleiner Junge wurde er an den Hof von König Ludwig XV. eingeladen, um dort eine Komposition vorzuspielen. Weil er eine Musikkarriere anstrebte, zog er 1740 nach Paris. Dort lebte er von seinen Auftritten und von seiner Arbeit als Musiklehrer und Musikkopist.

Paris war auch der Ort, wo er mit Schach in Berührung kam: dem Spiel, dass ihn weltweit bekannt machen sollte. Philidor wohnte in der Nähe des Café de la Régence. Dieses Café war der Treffpunkt der besten Schachspieler der Stadt.

Philidor lernte das Spiel und war von Anfang an erfolgreich. Sein Talent wurde von Legall de Kermeur erkannt, einem der damals besten Schachspieler Frankreichs. Er unterrichtete den unerfahrenen Philidor und trainierte mit ihm Hunderte von Übungsspielen. Anfangs gab Kermeur Philidor einen Vorsprung, doch schnell erlangte Philidor die Oberhand über seinen Lehrer.

Mit 25 gehörte Philidor zu den besten Schachspielern Frankreichs und er erlangte beträchtliche Berühmtheit. Er zeigte sein Talent mittlerweile nicht nur in seiner Heimat, sondern spielte gegen die besten Spieler Europas und besiegte sie.

1749 veröffentlichte er die erste umfassende Untersuchung zum Thema Schach mit dem Titel „L’Analyse du Jeu des Èchecs“ (Eine Analyse des Schachspiels). Bis heute gilt das Werk als eins der wichtigsten Schachbücher, die jemals geschrieben wurden.

Das Match mit den verbundenen Augen fiel mit dem Höhepunkt seiner Leistung zusammen. Doch auch danach war er weiterhin aktiv und spielte Schach bis zu seinem Tod im Jahr 1795. Die Philidor-Verteidigung, eine klassische Eröffnungs-Strategie, ist nach ihm benannt.

Bild: © Will Stanton / Alamy