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An diesem Tag im Jahr 1999 wurde Leonardo da Vincis berühmtes Gemälde „Das Abendmahl“ nach zwei Jahrzehnten der Restaurierung wieder ausgestellt. Es befindet sich in dem Refektorium des Klosters Santa Maria delle Grazie in Mailand.

Leonardo da Vinci gilt als Universalgenie. Er begann die Arbeit an dem Gemälde im Jahr 1495 und vollendete es vier Jahre später im Jahr 1498. „Das Abendmahl“ misst 460 mal 880 Zentimeter. Es stellt die Reaktionen der Jünger Jesu in dem Moment dar, in dem Jesus enthüllt, dass er verraten wurde.

Jeder Jünger reagiert mit sehr menschlichen Emotionen und mit unterschiedlichem Ausmaß an Schock, Ungläubigkeit, Wut und Entsetzen. Durch ihre Emotionen stellte Leonardo ihre individuellen Persönlichkeiten dar. Trotz des gezeigten Durcheinanders hielt sich Leonardo an eine strikte Ordnung, die in der Hochrenaissance üblich war.

Jesu Kopf, der von einem architektonischen Objekt umrahmt ist, das aussieht wie ein Heiligenschein, ist der Fluchtpunkt, auf den alle perspektivischen Linien des Gemäldes zusammenlaufen; jedes Element des Gemäldes leitet die Aufmerksamkeit des Betrachters zurück zu ihm. Er bleibt die Ruhe im Zentrum des emotionalen Sturms.

Um das psychologische Drama der Szene zu vermitteln, verwendete Leonardo eine Vielzahl tiefer Farben und Kontraste. Die traditionellen Techniken der Freskomalerei konnten die Intensität, die er sich wünschte, nicht ausreichend einfangen. Typisch für einen Erfinder beschloss er zu experimentieren.

Statt traditioneller Temperafarbe auf nasser Leinwand – wie es seit Jahrhunderten üblich war – versuchte er die Öltechnik für die Wandmalerei zu nutzen. Sein Experiment lieferte tatsächlich eine breitere Farbpalette und er begann mit dem Malen. Doch seine neue experimentelle Methode war nicht so haltbar wie die traditionelle. Sehr schnell blätterte der gemalte Putz von der Wand ab.

Schon im Jahr 1556 beschrieb Giorgio Vasari das Wandgemälde als „ruiniert“. Über die Jahre litt das Wandgemälde unter schlechten Restaurierungsversuchen und anderen Katastrophen. Ein Restaurator füllte die fehlenden Stellen mit Ölfarbe auf und lackierte das gesamte Gemälde. Ein anderer entfernte den Lack und übermalte alles. 1796 schmissen französische Soldaten Steine auf das Bild und kratzten den Jüngern die Augen aus.

1821 versuchte jemand, das Werk zu verlagern und beschädigte das Bild dabei. Erst dann bemerkte er, dass es kein traditionelles Fresko war. Während des Zweiten Weltkriegs zerstörte eine Bombe fast das gesamte Gebäude, doch die Wand mit dem „Abendmahl“ blieb unversehrt, abgesehen von kleineren Schäden durch die Erschütterungen.

1978 waren nur noch 20 Prozent des Originalgemäldes übrig. Ein Restaurationsprojekt unter der Leitung von Pinin Brambilla Barcilon beabsichtigte das Wandgemälde dauerhaft zu stabilisieren.Außerdem sollten die zugefügten Schäden von vorherigen Restaurationsversuchen rückgängig gemacht werden. Das Refektorium wurde versiegelt und in ein klimareguliertes Umfeld verwandelt. Es wurden die neuesten wissenschaftlichen Technologien genutzt. Das Restaurationsteam entfernte alles von dem Gemälde, was nach Leonardos Fertigstellung im Jahr 1498 hinzugefügt worden war.

Die Arbeit war akribisch und ging sehr langsam vonstatten. Häufig konnte an einem Tag nur eine Stelle von der Größe einer Briefmarke gereinigt werden. Die Bereiche, die man für irreparabel hielt, wurden mit gedämpften Farben übermalt.

So können die Betrachter sie von dem Originalgemälde unterscheiden. Bei diesen Abschnitten berief sich das Restaurationsteam auf Leonardos Originalskizzen und eine Reproduktion des „Abendmahls“, das von Giampietrino um das Jahr 1520 gemalt worden war.

Nach 21 Jahren der Restauration – vier Mal länger als Leonardo für das Gemälde gebraucht hatte – wurde „Das Abendmahl“ im Mai 1999 wieder ausgestellt. Das Refektorium wird weiterhin durch ein spezielles Sicherheits- und Staubschleusensystem geschützt und die Zahl der Besucher und die Besucherzeit sind limitiert.

Wie viele andere prominente Restaurationsprojekte, so erntete auch die Restauration des „Abendmahls“ viel Kritik. Während einige der Meinung sind, „Das Abendmahl“ habe sein originales „Leben und Licht“ wiedererlangt, so halten andere die Restauration für zu dramatisch.

Trotz allem inspirierte Leonardos anfälliges Meisterwerk, das gleich nach seiner Fertigstellung zu bröckeln begann, bis heute Literatur, Kunst und Popkultur sowie auch die Gläubigen.

Bild: © Leemage