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An diesem Tag im Jahr 1950 entdeckten zwei Brüder beim Torfstechen in der Nähe des dänischen Dorfes Tollund den Körper eines Mannes mit einer geflochtenen Schlinge um den Hals. Seine Haut war geschwärzt, er hatte rote Bartstoppeln und er trug eine Mütze aus Schaffell. Sie konnten die faltige Haut seiner Lippen sehen, seine gerunzelten Brauen und die kleinen Falten um seine Augen.

Trotz des Stricks um seinen Hals sah er aus, als würde er friedlich schlafen. Die Leiche war aber kein frisches Mordopfer, sondern ein 2.400 Jahre alter Mann, der heutzutage als das Gesicht der Eisenzeit bekannt ist: Der Tollund-Mann.

Der Tollund-Mann ist eine von vielen „Moorleichen“, die in Torfmooren in Nordeuropa gefunden wurden. Durch die ungewöhnliche Beschaffenheit des Torfmoores kann es zu natürlicher Mumifizierung kommen. Sehr säurehaltiges Wasser, kein Sauerstoff, niedrige Temperaturen sowie Bakterien erhalten die Haut, die inneren Organe, Haare und lederne Accessoires. Über die Jahrhunderte löst die Säure das Kalziumphosphat in den Knochen auf und die Haut wird dunkelbraun.

Wenn Moorleichen der normalen Atmosphäre ausgesetzt werden, verfallen sie sehr schnell. Deswegen sind viele Moorleichen zerstört worden. Seit dem 17. Jahrhundert wurden Moorleichen entdeckt, aber erst mit der Modernisierung der Wissenschaft konnten die Rätsel um ihre Erhaltung und der Grund ihres Todes gelöst werden.

Die meisten Moorleichen stammen aus der Eisenzeit (circa 300-400 vor Christus). Damals wurden die Toten üblicherweise auf einem Scheiterhaufen verbrannt und die Überreste in einer Urne begraben. Viele Moorleichen zeigen jedoch Anzeichen, dass sie umgebracht und absichtlich im Moor deponiert worden sind.

Viele Archäologen gehen daher davon aus, dass es ein ritueller Bestandteil ihres Todes war. Einige sind der Meinung, dass die Menschen der Eisenzeit Torf als Heizmittel benutzten und dass die Moorleichen menschliche Opfer waren, die den Göttern im Tausch dargebracht wurden.

Kurz nach der Entdeckung des Tollund-Mannes fanden forensische Spezialisten heraus, dass er gehängt und dann in Schlafposition in einem Grab im Moor positioniert worden war. Eine Kohlenstoffdatierung ergab, dass er ungefähr zwischen 375 und 210 vor Christus gestorben sein muss.

Herz, Lungen, Genitalien, Gehirn und Leber des Mannes waren gut erhalten. Seine Weisheitszähne waren schon gewachsen, was dafür spricht, dass er mindestens 20 Jahre alt war. Seine letzte Mahlzeit war eine Art Haferbrei aus angebauten und wilden Gemüsesorten und Samen: Gerste, Leinsamen, Kamille, Borstenhirse, Vogelknöterich und Leindotter.

Der Tollund-Mann ist im Silkeborg Museum in Dänemark ausgestellt, aber nur sein Kopf ist original. Leider konnte der Körper des Tollund-Mannes nicht erhalten werden, als er an die normale Atmosphäre kam. Dies lag daran, dass die Technik des Konservierens in den 1950er Jahren ungenügend war. Seine Füße und Finger blieben in Formalin erhalten.

1976 führte die dänische Polizei eine Fingerabdruckanalyse durch. So wurde der Fingerabdruck des Tollund-Mannes zu einem der ältesten aufgezeichneten Fingerabdrücke der Welt. 1987 fertigte das Museum eine Replik des Körpers an und fügte es mit dem originalen Kopf zusammen und so wird es bis heute ausgestellt. 

Bild: Photographer/Artist: BOISVIEUX Christophe