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An diesem Tag im Jahr 1859 wurde in Ägypten der Codex Sinaiticus entdeckt. Der Leipziger Archäologe Constantin von Tischendorf fand ihn im Katharinenkloster am Berg Sinai. Der Codex Sinaiticus ist eine handgeschriebene Abschrift der griechischen Bibel und zusammen mit dem Codex Vaticanis bildet er die beste altgriechische Übersetzung des Neuen Testaments. Er enthält auch große Teile des Alten Testaments und ist damit ein unschätzbar wertvolles Schriftstück christlicher Geschichte.

Der Codex wurde irgendwann im 4. Jahrhundert (zwischen 325 und 360 nach Christus) geschrieben und ist ein alexandrinischer Texttyp. Die genauen Umstände, warum der Text in einem ägyptischen Kloster landete, sind nicht bekannt. Manche glauben, dass der Text in Ägypten verfasst wurde, andere sagen, dass er wahrscheinlich eher in Rom niedergeschrieben worden ist.

Constantin von Tischendorf besuchte das Katharinenkloster zum ersten Mal im Jahr 1844. Er entdeckte einige Pergamente eines wichtigen alten Schriftstücks, der Septuaginta, zufällig im Altpapier weggeworfen. Der deutsche Archäologe durfte die Schriftstücke in seine Heimat mitnehmen und gab sie der Bibliothek der Leipziger Universität in Verwahrung. Er kehrte ein zweites Mal im Jahr 1853 und ein drittes Mal im Jahr 1859 zurück.

Seine dritte Reise fand unter der Gunst des russischen Zaren Alexander II. statt, der sehr interessiert daran war, weitere verlorene Manuskripte aus dem fernen Sinai-Kloster zu bekommen. Und tatsächlich entdeckte von Tischendorf am 4. Februar eines der wichtigsten religiösen Schriftstücke, die existieren.

Der Grund, warum der Codex Sinaiticus so wichtig ist, ist folgender: Er enthält die früheste komplette Abschrift des christlichen Neuen Testaments, handgeschrieben in altgriechischem Koine. Außerdem enthält der Codex die Septuaginta, eine frühe Übersetzung der hebräischen Bibel, die von den frühen, griechischsprachigen Christen als Altes Testament übernommen wurde.

Keine andere frühe Fassung der Bibel wurde so umfassend erläutert und korrigiert. Diese Korrekturen reichten von Änderungen Schriftgelehrter im 4. Jahrhundert bis zu denen von Mönchen im 12. Jahrhundert. Somit bietet der Codex einen unschätzbaren Einblick in die Geschichte der Buchentstehung, der Geschichte der Bibel und der Rekonstruierung des originalen Bibeltextes.

Constantin von Tischendorf war auf jeden Fall Generationen von christlichen Gelehrten eine große Hilfe, indem er den Codex Sinaiticus vom Katharinenkloster in die Bibliothek der Universität Leipzig brachte. Es gibt allerdings noch immer eine große und ungelöste Kontroverse darüber, wie Tischendorf den Codex von den Mönchen bekommen hat. Bis heute behauptet das Kloster, dass ihnen das Schriftstück von einem scheinheiligen deutschen Akademiker geklaut worden ist. 

Bild: © Robert Harding Picture Library Ltd / Alamy